Shunting Assistant & Monitoring Interface
for Autonomous Rail Applications (SAMIRA)
Aktuelles:
Mit SAMIRA2 geht die Entwicklung weiter:
In kürze gibt es hier weitere Informationen zu dem Anschlussprojekt SAMIRA2 bei dem der Reifegrad des Systems erhöht wird und ein Demo betrieb umgesetzt wird.
1. Die Ausgangslage
Auslöser für SAMIRA sind die heutigen zeit- und kostenintensiven Prozesse und Abläufe im Rangierbetrieb von Schienenfahrzeugen, z.B. in der Hafenlogistik oder in Güter-Umschlagzentren. Die sehr angespannte Personalsituation in den Transport- und Logistik-Betrieben verschärft die Problematik weiter.
Rangierfahrten mit langen Rangierabteilungen werden heute im Zweimann-Betrieb durchgeführt, da der Einmann-Betrieb mit Funkfernsteuerung wegen der damit verbundenen Wegezeiten bei Richtungswechsel viel zu zeitintensiv und ineffektiv ist. Außerdem ist der Einsatz von Funkfernsteuerungen bei Zuglängen größer 550 m in bestimmten Bereichen aufgrund von gestörten Funkübertragungen keine sichere Lösung. Bei kurzen Rangierabteilungen stellt dagegen die Funkfernsteuerung das Maß aller Dinge dar.
Das langfristige Ziel ist daher, Rangierfahrten, z.B. ganzer KV-Züge in Hafenbereichen, autonom durchführen zu können. Kurzfristig hilft schon die Reduzierung des benötigten Personalbedarfs, um z.B. die Fahrten mit nur einem Lokrangierführer (LRF) durchführen zu können. Hierzu müssen technische und organisatorische Lösungen entwickelt werden, die es dem Triebfahrzeugführer ermöglichen, die Übersicht über den zu befahrenden Streckenabschnitt zu bekommen. Mit einer dafür entwickelten Sensorik soll ermöglicht werden, dass der LRF sowohl bei gezogenen als auch bei geschobenen Rangierfahrten eine nahtlose und sichere (Gefahren-)Überwachung des Gleisbereichs erhält. In einer zweiten Stufe kann diese Technik dann als Basis für einen automatisierten Rangierbetrieb in abgeschlossenen Bereichen dienen, d.h. als Vorstufe zum autonomen Betrieb.
2. Die SAMIRA-Lösung
Hierauf zielt das Konzept SAMIRA ab, bei dem beide Zugenden mit einer elektronischen Kamera und weiterer Umfeldsensorik (z.B. RADAR, LiDAR) ausgestattet sind. Diese Sensormodule, kombiniert mit einer sehr sicheren und latenzarmen Echtzeit-Übertragung des Live-Bildes und der Sensordaten in den Führerstand, ermöglicht dem Lokführer eine geschobene Fahrt „auf Sicht“ sicher durchzuführen, ohne dafür die Lokomotive verlassen zu müssen. Dabei sind sowohl die Sensorik zur Gefahrraum – Überwachung als auch die Datenübertragung sicherheitsrelevante Komponenten, die die bahnspezifischen Anforderungen erfüllen müssen.
Auf einem Auf der Lokomotive befestigten Touchpanel (Human Machine Interface) bekommt der LRF Überlagert zum latenzfreien Live-Bild bekommt der Lokführer vielfältige Informationen, Daten und Warnhinweise in das Bild projiziert. Mit Hilfe diese Panels, kann der LRF vor der Fahrt Angaben über seine Rangierabteilung machen, um so eine Prognose für seinen Bremsweg in das Livebild eingefügt zu bekommen.
Zusätzliche stationäre Module zur Gleisüberwachung erhöhen die Sicherheit im Gleis und eine RTK-Station zur präzisen Positionsbestimmung ermöglicht eine gleisgenaue Ortung des Zuges.
Aus den gewonnenen Daten wird eine Live-Karte der Übergabe- und Güterbahnhöfe erstellt, welche die Sicherheit weiter erhöht, eine höhere Flexibilität beim Rangierbetrieb ermöglicht und allen Mitarbeitern mit mobilen Endgeräten zur Verfügung steht.
3. Innovationen im Projekt
Die durch das Projekt entstehenden Innovationen sind vielfältig und bilden zusammen die Grundlage für ein zukünftiges, autonomes Rangieren. Sie können in drei Bereiche gruppiert werden:
Gefahrraumüberwachung im Rangierbetrieb:
- SAMIRA beinhaltet eine tragbare, am Ende des letzten Güterwagens befestigte Sensoreinheit (SAMIRAmobil Wagen) zur Gefahrraumüberwachung bei einer geschobenen Fahrt. Über Radarsensoren und Kamera erhält der Lokführer in der Lokomotive am anderen Zugende ein Livebild vom Gefahrraum vor der Zugspitze.
- Zusätzlich erhält der Lokführer noch eingeblendete Informationen über Gegenstände und deren Größen und Entfernungen, Fahrzeuggeschwindigkeit, benötigter Bremsweg, etc.
- SAMIRA ersetzt den Blick und den Sprechfunk des Rangierbegleiters, der dadurch wiederum bei einem anderen Zug als Lokführer eingesetzt werden kann. SAMIRA hilft, die heutigen Personalengpässe zu entschärfen.
- Wird eine solche Sensoreinheit auch an der Lokomotive angebracht (SAMIRAmobil Lok), dann unterstützt das System den Lokführer auch bei gezogenen Fahrten. Die vorausschauende Sensorik hilft auch bei schlechten Sichtverhältnissen Unfälle zu vermeiden.
- SAMIRA erkennt Gefahrensituationen und gibt audiovisuelle Warnungen ab.
- Durch die Hinzunahme zusätzlicher, an besonderen Gefahrenstellen stationär aufgestellter Sensormodule (SAMIRAfix) entsteht durch Superposition eine schematische Live-Karte des gesamten Bahngeländes, in der die Gleise, die Züge und anderer Objekte auf den Gleisen in Echtzeit angezeigt werden.
- Durch die eingesetzte hochgenaue Positionsbestimmung in Verbindung mit der Radar- und Kamerasensorik werden zeit- und energie-optimierte Brems- und Beschleunigungsvorgänge berechnet und dem Lokführer über ein Assistenzprogramm angezeigt. Damit lassen sich zukünftig auch die Quietschgeräusche beim Bremsen und die Aufprallgeräusche beim Rangieren stark reduzieren.
- Werden diese Steuersignale von SAMIRA aktiv mit der Steuerelektronik der Lokomotive verbunden, können sie auch zum automatischen Zielbremsen verwendet werden (gehört nicht zum Projektumfang, wegen Zulassungsproblematik).
Datenübertragung über ein Multipath-Mesh-Netzwerk
- Zur Erfüllung der strengen Echtzeit- und Sicherheitsanforderungen der Datenübertragungen von den Sensormodulen zum Führerstand der Lokomotive wird ein echtzeit- und roamingfähiges Multipath-Mesh-Netzwerks inklusive der notwendigen Protokolle explizit entwickelt.
- Darüber hinaus bietet SAMIRA eine Schnittstelle zur online Übertragung der Lokbetriebsdaten an die Leitstelle. Die Daten können später ausgewertet werden, um langfristig die Unfallvermeidung weiter zu entwickeln.
- Die Infrastruktur kann auch als Grundlage für eine höhere Automation der Logistik genutzt werden, z.B. durch automatische Ausstellung und Übermittlung von Fahraufträgen.
Hochgenaue Positionslösung
- Da die Positionsgenauigkeit eines einfachen SatNav-Empfängers für die Anforderungen im Rangierbereich nicht ausreicht, werden zur Erlangung einer präzisen Position verschiedene Methoden eingesetzt, verglichen und für ihre Eignung bewertet.
- Basierend auf dem Europäischen Satellitennavigationssystem (EGNSS) werden weitere Sensoren (IMU, LiDAR) und physikalische Messgrößen (Odometrie) in die Positionslösungen mit einbezogen und mittels Machine Learning weiter optimiert.
4. SAMIRA ist zukunftsweisend
Im ersten Schritt ist SAMIRA ein Fahrerassistenzsystem für Güterzüge im bidirektionalen Betrieb, bestehend aus umfassender Umfeldsensorik am Zug kombiniert mit künstlicher Intelligenz (KI). In Verbindung mit der sicheren, drahtlosen Datenübertragung in Echtzeit lässt sich die Umgebung eines Güterzuges und dessen Fahrwege sicher überwachen. Mit diesen Daten kann der Zugführer umfassend informiert werden und im Falle eines Falles auch umgehend gewarnt werden. Die Sensoren und deren Auswertungen mit KI unterstützen den Menschen und erhöhen die Sicherheit.
Weit darüber hinaus wird das SAMIRA-System die Digitalisierung in der letzten Meile ermöglichen, die erforderlichen Ressourcen reduzieren und eine erste Basis für einen autonomen Eisenbahnbetrieb bilden. Damit wird die Wettbewerbsfähigkeit des Verkehrsträgers Schiene signifikant verbessert.
Zukunftsweisend ist auch das Mesh-Netzwerk, das bereits die Basisstruktur für die sichere und latenzarme Datenkommunikation für Logistik 4.0 liefert, indem sich weitere Geräte flexibel und schnell einbinden lassen.
Das Projekt SAMIRA läuft noch bis zum August 2022. Vor dem Projektende wird es eine reale Demonstration der Projektergebnisse auf dem Gelände von RheinCargo geben. Bei Interesse an unseren Arbeiten können Sie uns sehr gerne kontaktieren, wir würden uns sehr freuen.
Alle Grafiken: SAMIRA Projektteam
Danksagung:
Das gesamte Projektteam bedankt sich ausdrücklich beim Land Nordrhein-Westfalen und der Europäischen Kommission für die erhaltenen Fördermittel für das Forschungsprojekt SAMIRA, ohne denen das Vorhaben nicht hätte realisiert werden können.